Gute Ghostwriter sind meist scheue Wesen. Eine Frau sitzt mit Stift in der Hand vor einer Schreibmaschine. Sie ist nur von hinten und nur zum Teil zu sehen.

Gute Ghostwriter sind meist scheue Wesen

Als Ghostwriter zu schreiben hat Vor- aber auch Nachteile.

Du bist – da als Verfasser des Textes ungenannt – nicht angreifbar, kassierst aber auch nicht die Lorbeeren. Die gehören allein deinem Auftraggeber oder deiner Auftraggeberin. Ein starkes Ego verträgt sich eher schlecht mit der Tätigkeit des Ghostwriting, weswegen gute Ghostwriter meistens eher scheue Wesen sind.

Das ist aber noch nicht alles.

Ein guter Geist schreibt nicht nur für andere dessen Texte, er muss es auch mit dessen Stimme tun.

Niemand darf merken, dass da ein anderer schreibt, als der, auf dessen Seite du gerade bist. Ob Website oder Social Media Profil – beides lebt von Glaubwürdigkeit. Und die wird massiv mit Füßen getreten, wenn der Eindruck entsteht: „Das ist doch gar nicht die Person, die da mit mir schreibt. Die ist doch sonst ganz anders.“ Das gilt insbesondere für Ghostwriting in Social Media Netzwerken, wenn der Ghostwriter auch für die Interaktionen zuständig ist.

Wie schwer das in der Praxis ist, können all jene bezeugen, die es einmal probiert haben. Ich habe schon Sätze gehört wie:

„Versetze dich eine Stunde am Morgen in diese Person und anschließend bist du wieder du. Jep! Und ich dachte tatsächlich, dass es so einfach wäre. War es aber nicht. Es war das anstrengendste, was ich je gemacht habe und ich möchte diese Verantwortung nie wieder tragen.“

Verantwortung bedeutet es in der Tat. Vertrauen auch. Eine gute Kenntnis der anderen Person ohnehin. Perfektes Einfühlungsvermögen sowieso. Und eine nahtlose Zusammenarbeit. Denn es macht keinen Sinn, dass der Ghostwriter kommentiert und der Besitzer des Profils von der Kommunikation überhaupt keine Kenntnis hat. Zeit sparen für Interaktionen ist ok, sie zumindest einmal am Tag zu lesen ist zwingend erforderlich. Anders macht es keinen Sinn. Und auch nicht jedes Netzwerk ist dafür geeignet.

Für den Ghostwriter ist diese Arbeit sehr anstrengend.

Wenn ich für andere Menschen schreibe, bin ich in dem Moment nicht „ich“. Ich fühle mich – ähnlich wie ein Schauspieler – komplett in eine andere Rolle ein. Bin ein Mann, der selbstbewusst seine Erfolge feiert. Bin ein junges Mädchen, das zaghaft seine ersten Schritte geht. Bin in der Ausbildung, Angestellter oder Chefin. Habe ein kleines Team oder eine große Belegschaft. Stecke in einer Krise oder habe sie soeben überwunden.

Privat wird es noch persönlicher. Hier bin ich Mutter und habe mein Kind verloren. Bin ferne Tante und gratuliere meiner Nichte zur Volljährigkeit. Habe meine Freundin betrogen und bitte sie um Verzeihung. Bin verzweifelt und starte ein Crowdfunding.

Das sich einfühlen in andere Menschen macht mein Leben reicher. Für einen Moment lebe ich ein anderes Leben, ohne dessen Konsequenzen tragen zu müssen. Gleichzeitig erschöpft es mich emotional sehr. Das Switchen von einer Persönlichkeit in eine andere ist nicht so einfach, und manchmal frage ich mich selbst „wer bin ich gerade?“ Deswegen nehme ich nie zu viele dieser Aufträge an. Ich brauche zwischendurch Zeit, um mich zu erholen. Mich zu erden. Einfach nur ich selbst zu sein.

Vielleicht sind Ghostwriter deswegen in der Realität auch so scheue Wesen. Sie erleben im Schreiben so viel, dass sie im Leben den Rückzug brauchen. Und weil die Arbeit so anstrengend ist, zeigen sie sich auch nicht so gern in der Öffentlichkeit – die Anstrengung lässt sie zuweilen wie einen Geist aussehen.      

Bildnachweis Canva

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