Loslassen können

Loslassen können - eine Frau geht mutig einen neuen Weg entlang

Loslassen können ist eine Entscheidung

Eine kleine autobiografische Geschichte, die mir das Thema Loslassen und die Kraft, die darin steckt, bewusst gemacht hat. Viel Spaß beim Lesen.

Vier Frauen und ein Mann schreiten durch das brusthohe Wasser, immer im Kreis und „schön locker, mit großen Schritten, die Arme schwingen locker mit“ ruft die Therapeutin vom Rand des Schwimmbeckens allen fröhlich zu. Die Musik ist fetzig, irgendwas aus den frühen 70er Jahren. Im Takt gehen fällt allerdings allen schwer, zu stark ist die Kraft des Wassers, zu viel Widerstand wird entgegengesetzt. Auch ich bewege mich außerhalb jedes Taktes, aber mit viel Kraft unermüdlich voran. „Und jetzt alle umdrehen und weiterlaufen“ ruft die Therapeutin.

Vier Frauen drehen sich fast synchron um 180 Grad und laufen nun wieder im Kreis, nur die Richtung hat sich geändert. Und die benötigte Kraft um überhaupt vorwärts zu kommen, denn das Wasser schwingt noch einige Zeit in der zuvor bestimmten Richtung nach und damit momentan gegen uns. Das ist natürlich auch Sinn der Sache, was diejenigen, die nicht zum ersten Mal hier sind, selbstverständlich wissen.

Der einzige Mann in unserer Runde hat nach dem Kommando der Therapeutin nur eine viertel Drehung gemacht und schreitet nun außerhalb des Kreises seines eigenen Weges. Eine der Frauen macht ihn durch rufen auf sich aufmerksam und gestikuliert wild in Richtung Kreis. Der Mann schaut verständnislos. Als die Frau bei ihrer Runde an dem Mann vorbeikommt, greift sie ihn
am Arm und will ihn in die richtige Richtung lotsen. Der Mann reagiert verärgert und weigert sich. Ja, er geht sogar Richtung Beckenrand, als wolle er sich gänzlich ausschließen. Die Frau, die doch nur helfen wollte, ist nun ihrerseits verärgert und schüttelt missbilligend ihren Lockenkopf. Zudem hat nun sie selber ihren eigenen Rhythmus verloren und muss sich erst wieder mühsam in die Runde einreihen.

„Daran ist nur dieser uneinsichtige Trottel von Mann schuld“, schimpft sie leise vor sich hin. Die Therapeutin ist währenddessen zu dem Mann am Beckenrand gegangen und spricht leise und wohlwollend mit ihm. Als ein neues Musikstück beginnt, löst sich der Mann vom Beckenrand und reiht sich ohne jemanden zu behindern in den Kreis der Frauen ein. „Und noch mal alle umdrehen und weiterlaufen“ ruft die Therapeutin und alle fünf Personen drehen sich um 180 Grad und kämpfen gegen den
stärkeren Widerstand des Wassers an. Dank des kräftigeren Mannes verändert das Wasser schneller seine konträre Eigenbewegung und allen fällt das vorankommen deutlich leichter als beim ersten Richtungswechsel.


Damit sollte die Geschichte eigentlich zu Ende sein, denn sie spricht für sich und jeder kann bestimmte Gesetzmäßigkeiten und Wahrheiten – so er sie denn sehen und hören will – selbst herauslesen. Ich möchte diese Aufgabe auch nicht für jemand anders lösen. Nur eins ist mir noch wichtig zu sagen:


Ich konnte die Frau gut verstehen. Aus dem Augenwinkel heraus habe ich ihr Verhalten registriert. Aber ich bin nicht mehr wie sie. Ich konzentriere mich auf mich und schreite meine Runden, ich habe losgelassen.

Bildnachweis Canva

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