In dieser Mini-Serie beantworte ich die meist gestellten Fragen an mich. Weiter geht`s mit Frage 5: “Sag mal, Sabine, hilfst du mir, mein Buch zu schreiben?”
Das mag jetzt für den einen oder die andere ungewöhnlich sein, zumal ich auf meiner Website auch die Leistung “Biografien und Lebensgeschichten” anbiete. Liest du dort allerdings genau, wirst du feststellen, dass ich immer nur von einzelnen Geschichten und Episoden schreibe und deutlich festhalte: “Ein ganzes Leben für dich schriftlich festzuhalten traue ich mir noch nicht zu.” Deswegen ist meine momentane Antwort auf diese Frage “Sag mal, Sabine, hilfst du mir, mein Buch zu schreiben?” leider ein klares “nein”.
Damit du meine Beweggründe etwas besser verstehen kannst, erzähle ich dir eine kurze Geschichte.
Vor rund sieben Jahren kam ein weit über 80-jähriger Mann aus unserem Ort auf mich zu, der genau das wollte: Für seine Nachkommen seine eigene Lebensgeschichte schriftlich festhalten. Ob ich ihm dabei behilflich sein könne? Er habe handschriftliche Notizen gemacht, könne sich aber nicht so gut ausdrücken und würde auch viele Fehler machen. Blamieren wolle er sich nun aber auch nicht. Selbstredend sagte ich zu. Nicht ahnend, was da auf mich zu kam.
Der Herr war als junger Mann im zweiten Weltkrieg an der Front, und ein Großteil seiner Notizen stammte aus dieser Zeit. Er vermisste die Kameradschaft und glorifizierte die Absichten. Am schlimmsten war es, als ich schreiben musste (aus der Erinnerung):
“Und eines Abends nahmen wir ein kleines Dorf in xy ein. Am anderen Morgen waren alle Bewohner über 16 Jahren tot.”
anonym
Mir war schlecht, ich hatte Albträume, und ich hätte am liebsten alles hingeschmissen. Nur war der Herr mir bislang sympathisch gewesen, immer sehr freundlich, sehr hilfsbereit, obwohl er selbst nicht mehr gesundheitlich fit war. Er tat mir leid. Er war mir seither unheimlich. Ich war zu pflichtbewusst und kämpfte mich durch. Und quälte mich mit dem Gedanken, was mein Pflichtbewusstsein über mich als Mensch aussagt. Mittlerweile ist der Herr gestorben, sonst hätte ich das nie veröffentlicht. Trotzdem ist es eine gute Geschichte, um dir eins über mich klar werden zu lassen:
Ich habe zu wenig Distanz, um dir zu helfen, dein Buch zu schreiben.
Das ist ganz und gar nichts, das ich mir freiwillig aussuche, es ist einfach so. Ich bin bei allem, was ich schreibe, mittendrin. Fühle und spüre nach, träume unter Umständen davon. Deswegen schütze ich mich selbst und lehne derartige Anfragen heute stets ab. Denn auch das ist mir durch mehrere Anfragen dieser Art klar geworden:
Die Menschen möchten oft ein Kapitel ihres Lebens in einem Buch aufarbeiten. Eigenartigerweise schreiben Menschen weniger glückliche Ereignisse nieder, klammern sich aber mit aller Gewalt an unglückliche. Wollen sie festhalten, für sich selbst und andere. Damit die wiederum daraus lernen können. Ich selbst sehe das etwas differenzierter. Du kannst durchaus von anderen Menschen lernen, allerdings ist es nie eins zu eins auf deine eigene Person übertragbar. Wenn ich es ganz grob zusammenfassen müsste, würde ich sogar behaupten, der einzige Sinn und Zweck eines Buches mit einem traumatischen Ereignis aus deinem Leben besteht allein hierin:
Seht her. Ich habe es geschafft. Du kannst das auch.
Damit möchte ich keinesfalls Menschen, die den Weg gegangen sind, vor den Kopf stoßen. Fragt mich hingegen jemand, ob ich ihr oder ihm helfe, sein traumatisches Ereignis schriftlich in Buchform zu bringen, empfehle ich folgendes Vorgehen:
- Besorg dir ein Aufnahmegerät und sprich dein Anliegen darauf. So, dass du später anhand der Aufzeichnung ein Skript erstellen könntest.
- Horch in dich hinein, wie es dir geht, wenn du alles gesagt hast. Geht es dir besser? Hat allein das Reden darüber schon gut getan?
- Verspürst du immer noch das Bedürfnis, es schriftlich festzuhalten? Und falls ja, nur für dich, oder muss es für die breite Öffentlichkeit präsentiert werden?
Nach meinen bisherigen Erfahrungen aus den Gesprächen haben sich fast alle dazu entschieden, es “nur für sich selbst” zu machen. Weil es mehr um Verarbeitung denn um Wissen für andere ging. Und was nur für dich selbst ist, kannst du auch ganz allein, dafür brauchst du mich nicht.
Für alle anderen Lebensgeschichten bin ich gern für dich da, denn es wirklich schön, so ein Vermächtnis für die eigenen Nachkommen zu hinterlassen. Am besten eins, bei dessen Lektüre alle herzhaft lachen können und dich so in Erinnerung behalten. Wäre das nicht auch für dich schöner? Wenn du jetzt direkt das Gefühl hast: o ja, da war doch … – fang an. Und wenn du nicht mehr weiterkommst – ich bin nur einen Klick entfernt.
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Liebe Sabine,
deine mit der Aussage verknüpfte GESCHICHTE zeigt wieder ganz WUNDERBAR auf, was es wirklich heißt, für jemand anderen zu schreiben. Das habe ich anfangs so unterschätzt.
DANKE für deine persönlichen Worte, gerade sie machen so deutlich, was DU für eine umsichtige, verantwortungsbewusste, mit HERZBLUT schreibende und LEBENDE bist.
Herzlichen DANK und alles LIEBE.
Claudia
Liebe Claudia,
ich danke DIR für das warmherzige Feedback. Nicht jeder Mensch versteht meine Beweggründe. Umso mehr freut mich dein echtes Nachempfinden können. Danke!