Jeder denkt von sich, er habe sie. Natürlich. Gar keine Frage.
Wir haben den Mut, öffentlich unsere Überzeugung zu äußern, auch wenn sie der Ansicht anderer Menschen entgegensteht. Greifen mutig ein, wenn wir Zeuge einer kriminellen oder für andere Menschen bedrohlichen Situation werden. Machen die Öffentlichkeit auf Missstände aufmerksam und lenken die allgemeine Aufmerksamkeit darauf. Helfen wo wir können, wenn insbesondere die Schwachen der Gesellschaft (ältere Menschen, Kinder, aber auch Tiere) unwürdig behandelt werden. Haben Zivilcourage.
Ist es nicht so?
All die Reportagen, in denen gezeigt wird, dass Menschen verschämt den Blick senken und in eine andere Richtung schauen, derweil genau vor ihnen ein Unrecht geschieht – das sind nicht wir. Das sind Feiglinge. Egoisten. Ohne Worte so ein Verhalten.
Neulich hatte ich Gelegenheit, Zivilcourage zu zeigen und habe die Gelegenheit ergriffen. Spontan, ohne weiter nachzudenken, voller Emotionen. Ich habe einen öffentlichen Facebook Aufruf gestartet und meinen Unmut über die aktuelle Situation in deutlichen Worten Ausdruck verliehen. Namen habe ich keine genannt, wohl aber Straße und Ort des Geschehens. Ich fühlte mich als Rächer der Schwachen und völlig im Recht.
Die Anteilnahme war riesig, der Beitrag über 5000mal geteilt, private Nachrichten trudelten im Sekundentakt herein. Alle wollten helfen, es war ein schönes Gefühl. Bis ich um Mitternacht vor der eigenen Haustür persönlich beschimpft, beleidigt und bedroht wurde. Der Beitrag sollte gelöscht werden, sonst hätte ich ein ernstes Problem, da kenne man nichts …
Ich habe den Beitrag danach aus zwei Gründen gelöscht. Zum einen hatte ich konkrete Angst und zum anderen wurde mir klar, dass die vorhandene Unterstützung nicht im Geringsten gewünscht wurde. Damit hatte der Aufruf sein eigentliches Ziel verloren.
Meine Erkenntnis zur Zivilcourage ist:
Wenn es sich nicht um eine akut bedrohliche Situation handelt, ist es sinnvoll, vor dem Handeln nachzudenken. Sich vielleicht Unterstützung zu holen. Über verschiedene Optionen nachzudenken. Sich gegen mögliche Folgen abzusichern.
Und dennoch!
Angst darf nie dazu führen, dass wir den Mund nicht mehr aufmachen. Wohin das im schlimmsten Fall führen kann, zeigt nicht nur die Vergangenheit, sondern auch die Gegenwart. Und deswegen müssen wir trotz möglicher Ängste bei Missständen den Mund aufmachen. Jeder Einzelne von uns. Ich auch.
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