Lebensweisheit. Im Bild eine Schnecke auf ihrem beharrlichen Weg zum Ziel.

Lebensweisheit durch ein Kinderspiel

Lebensweisheit ist unberechenbar. Manchmal erkennen wir sie erst im Alter. Durch Erinnerung an ein Kinderspiel.

Wer möchte sie nicht erlangen? Lebensweisheit. Wir lesen uns durch schlaue Bücher, umgeben uns mit inspirierenden Menschen, sammeln Zitate und Weisheiten anderer Menschen wie Muscheln am Sand – und gewinnen in der Regel kein bisschen Weisheit. Mit der Lebensweisheit verhält es sich wie mit vielen Dingen: Theorie ist gut, aber in der Regel nutzlos. Es sei denn, sie wird durch praktische Erkenntnisse verfestigt. Selbst erleben, selbst erkennen, selbst nachdenken: Es führt kein Weg daran vorbei.

Und doch kann es passieren, dass eine Lebensweisheit uns fest gepackt hat, ohne dass wir diese hätten benennen können. Kindern passiert so etwas häufiger. Sie lernen ununterbrochen und am meisten im Spiel. Weil Lernen in der Regel allerdings mit Anstrengung assoziiert wird, wird dem Spiel meiner Ansicht nach zu wenig Bedeutung beigemessen. Erst neulich habe ich das erkannt, als ich mich an ein geliebtes Kinderspiel erinnerte.

Lebensweisheit durch das TipTop-Spiel

Für die Jüngeren unter euch: TipTop ist ein Spiel, das zu zweit oder auch allein gespielt werden kann. Allein setzt du dir ein Ziel und gehst Fuß um Fuß im TipTop Schritt darauf zu. Immer die Ferse an die Spitze deiner Zehen setzen. Du musst das Ziel mit deinem ganzen Fuß erreichen, dann hast du es geschafft. Spielst du es zu zweit, hat der- oder diejenige gewonnen, der die verbliebene Lücke beim aufeinander Zuschreiten mit seinem ganzen Fuß ausfüllen kann.

In dem Spiel hat mich so schnell keiner schlagen können. Ich konnte Entfernungen gut abschätzen und mich selbst gut einschätzen. Ahnte ich, dass mein Fuß zu groß für die zu vermutende Lücke war, setzte ich meinen nächsten Schritt leicht schräg, um so den Abstand zu verringern. Dies solange, bis die Differenz ausgeglichen war. Wir spielten in der Regel um Schokoküsse. Ich liebte Schokoküsse und gewann so viele, bis mir schlecht davon wurde.

Als ich neulich einen Beitrag las, in dem es um die Frage ging, ob wir kleine Schritte oder große Sprünge bevorzugen, erinnerte ich mich plötzlich an dieses Spiel. Denn dieses gemächliche Voranschreiten hat mich seit meiner Kindheit nicht mehr verlassen. Große Sprünge sind mir zu riskant, ich bevorzuge kleine Schritte. Trotzdem komme ich manchmal weiter als andere.

  • Weil ich nicht so leicht zu demotivieren bin.
  • Weil ich geduldig bin.
  • Weil ich mein Ziel nicht aus den Augen verliere.
  • Weil ich weniger riskiere und weniger falle, folglich weniger Ausfälle habe.
  • Weil ich erkenne, wann es hilfreich ist, ein wenig vom geraden Weg abzuweichen.
  • Weil ich am Boden bleibe.
  • Weil ich selbst auf einem Fuß die Balance halten kann statt unkontrolliert in der Luft zu hängen.

Wer hätte das gedacht, dass ein einstiges Kinderspiel sich wie ein roter Faden durch mein Leben zieht und mich immer noch mit dem ganzen Fuß ans Ziel bringt? Womöglich langsamer als andere, dafür oft genug beständiger als andere.

Eine Weisheit – nicht nur für mich:

Reg dich nicht auf, wenn andere weiter springen oder höher fliegen als du. Es ist keineswegs gesagt, dass sie heil ihr Ziel erreichen. Mit etwas Geduld, Disziplin und ein wenig Geschick kannst du sie überholen. Wenn dir daran viel liegen sollte. Ansonsten erfreu dich einfach am Weg (Spiel) und hab Spaß (Ziel).

Bildnachweis Canva

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