Coverbild zu meinem Buchtipp 40 - Mein drittes Leben von Daniela Krien

Buchtipp 40 – Mein drittes Leben

Bücher, die mich begeistert haben. Mein Buchtipp 40 – Mein drittes Leben

Das Buch ist keine leichte Lektüre. Das Thema ist schwer: Verlust eines geliebten Menschen, in diesem Fall sogar das eigene Kind. Wer sich allerdings in seiner bereits erlebten Trauer (selbst nachträglich) verstanden wissen will und gleichzeitig Zuversicht geschenkt bekommen möchte, dem kann ich das Buch von Herzen empfehlen. Mein Buchtipp 40 – Mein drittes Leben von Daniela Krien.

Klappentext zum Buch

Sie hat alles gehabt und alles verloren: Sekunden der Unachtsamkeit kosten ihre einzige Tochter das Leben. Tief sieht Linda in den Abgrund und wäre beinahe gefallen, doch da sind hauchfeine Fäden, die sie halten – die Hündin Kaja, die steten Handgriffe im Garten, das Mitgefühl für andere. Wie viel Kraft in ihr steckt, ahnt sie erst, als sie zurückfindet in einen Alltag und zu sich selbst.

Linda führt ein Bilderbuchleben. Ihre Arbeit als Kuratorin für eine Kunststiftung füllt sie aus, sie ist verheiratet mit dem Maler Richard, sie haben eine gemeinsame Tochter, Sonja, leben in einer großzügigen Altbauwohnung in Leipzig. Sie sind erfolgreich, gut situiert, glücklich und arglos. Doch in ein paar Sekunden der Unachtsamkeit nimmt das Schicksal Linda alles: das Leben der 17-jährigen Tochter, die von einem Lkw überfahren wird, die eigene Gesundheit, den Schlaf. Die Trauer ist übermächtig und bodenlos. Doch es gibt sie, die feinen Fäden, die Linda in der Welt festhalten. Da sind ein Haus und ein Hof im Niemandsland, die ihr Zuflucht bieten und die Handgriff um Handgriff erfordern, da ist die Freude darüber, wieder lesen zu können, die gezackten Ränder einer satt orangefarbenen Tulpe, die Wärme der Frühlingssonne, da ist die Hündin Kaja. Ausgerechnet die Tochter einer anderen Frau holt Linda ins Leben zurück, und da ist immer noch: ihr Lebensmensch, ihr Mann Richard.

Meine Eindrücke vom Buch: Mein drittes Leben

Nichts kann eine intakte Beziehung so sehr auf die Probe stellen wie übermächtige Trauer. Vielleicht noch übermächtiges Glück, aus anderen, aber im Kern ähnlichen Gründen. Alle anderen, weniger tiefen Gefühle, halten ein Ungleichgewicht in der Intensität zwischen zwei Menschen aus. Übermächtiges Glück und übermächtige Trauer nicht. Zieht hier unser Gegenüber nicht im Einklang mit, fühlen wir uns zutiefst alleingelassen und unverstanden. Und gerade, weil diese Gefühle so stark sind, tut das weh. Sehr weh. Und ist schwer zu akzeptieren. Der Tod des eigenen Kindes ist eine Zerreißprobe für die Beziehung der Eltern. Im Buch wird das in diesem Dialog deutlich:

” … dass du Teil des Problems bist.”

“Inwiefern?”

“Es geht dir besser, Richard. Dein Leben geht weiter.”

“Ich trauere auch, Linda.”

“Ja, aber auf einer anderen Ebene.”

“Und deswegen musst du weg.”

Ich nickte, Richard schüttelte den Kopf.

Wer sich so einsam fühlt wie Linda, zieht sich in der Regel von Menschen zurück und hält sich stattdessen an Dingen fest. An einem Haus, einem Hof, einem Garten, der stupiden und nie vollendeten Arbeit an und mit diesen Dingen. Ein gefegter Hof oder ein blühender Garten sind manchmal einziger Beweis, dass das eigene Tun überhaupt noch einen Sinn hat. Menschen hingegen streifen das eigene Leben nur noch “wie Streiflichter am Straßenrand” und sind “nur als Individuen, nicht als Masse zu ertragen.”

Auch etwas, was andere oft nicht verstehen, ist diese Furcht vor den hellen, fröhlichen Sommertagen, wenn in einem selbst alles dunkel ist. Nie habe ich dieses auch mir bekannte Gefühl besser beschrieben gelesen als in diesem Buch:

“Die Sehnsucht nach Sommer ist mir abhanden gekommen. Mein innerer Winter lässt sich nicht mit der Leichtigkeit der hellen, warmen Tage in Einklang bringen. Erst wenn die Hitze der Sommertage das Grün versengt, die seichten Gewässer austrocknen, alles Lebendige unter der Dürre ächzt und schließlich der Herbstwind an den früh verdorrten Blättern zerrt, werde ich von der Last der Freudenpflicht befreit sein.”

“Last der Freudenpflicht.” Was für eine schöne und zutreffende Beschreibung! Meine eigene, tiefe Trauer ist lange her und doch hat mir das Buch quasi im Nachhinein noch gutgetan. Weil ich endlich Worte fand für etwas, was ich nur gespürt habe und deswegen mit niemandem darüber reden konnte. Vielleicht geht es dir ähnlich und auch du findest Trost. Gerade passenden oder späten Trost. Zu spät ist es nie …

Über die Autorin:

Daniela Krien ist eine deutsche Schriftstellerin. 2011 veröffentlichte sie ihren Debütroman “Irgendwann werden wir uns alles erzählen.” Der Roman wurde 2022 verfilmt und für den Deutschen Drehbuchpreis 2022 nominiert. Weitere Romane folgten und standen monatelang auf der Bestsellerliste. “Mein drittes Leben” ist für den Deutschen Buchpreis 2024 nominiert.

Bildnachweis Lizenz erteilt vom Diogenes Verlag

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