Eine Tradition für meine LinkedIn Community: 2023 ist es unser LinkedIn Märchen
LinkedIn verbindet: 2021 hatte ich die Idee, dass wir gemeinsam Herzenswörter sammeln, um zu zeigen, dass eben nicht alles in 2021 schlecht war. Das Ergebnis war eine magnetische Postkarte, auf der in einem grünen Herz alle Herzenswörter 2021 meiner LinkedIn Community zu lesen waren. Die Karte schickte ich allen Teilnehmenden und noch heute hängt sie bei ihnen an besonderer Stelle. 2022 erstellte ich eine “Verbindung Playlist“, an der alle sich mit einem besonderen Musikwunsch beteiligen konnten. Auch hier war die Beteiligung groß und die Freude – auch bei mir – langanhaltend. Ich lausche immer wieder rein und sehe zu jedem Song ein Gesicht vor mir – schön ist das. Unser LinkedIn Märchen ist meine dritte Idee in 2023 und damit scheint eine gemeinsame Aktion zum Jahresende sich zu einer Art Tradition zu entwickeln.
Die Idee: Ich starte die Geschichte mit einem Satz: “Es war einmal ein Dorf, gegründet im Jahr 2022 von Menschen, die sich nur aus LinkedIn kannten, das nun sein einjähriges Bestehen feiern wollte.” Alle konnten einen weiteren Satz beifügen und damit mitbestimmen, wie es in unserem Dorf aussieht und was wir machen. Ich verbinde alle Sätze in einer Geschichte und behalte mir den letzten Satz vor. Es haben insgesamt 37 wunderbare Menschen mitgemacht und ich habe mein Bestes gegeben, ihre lustigen und warmherzigen Sätze zu einer inspirierenden Geschichte zu verbinden. Mit ihren Vornamen im Märchen sage ich ihnen allen von Herzen DANKE fürs Mitmachen.
Und jetzt geht`s los …
Es war einmal ein Dorf, gegründet im Dezember 2022 von Menschen, die sich nur aus LinkedIn kannten, das nun sein einjähriges Bestehen feiern wollte. Das Dorf lag weit abseits mitten in einem verwunschenen Wald, in dem zuvor nur Märchenwesen gelebt hatten.
Feen und Zwerge, Kobolde und Zauberer, Hexen und Drachen. Diese waren alles andere als erfreut, als die ersten Menschen dieses verwunschene Plätzchen trotz aller Undurchdringlichkeit der Umgebung fanden und es für sich beanspruchten. „Wo der Mensch auftaucht, ist das Unheil nicht weit“, wisperte eine Fee besorgt, war aber zu gutmütig, um dem Vorschlag der Hexe „wir machen ihnen ohne viel Federlesen einfach den Garaus“ zuzustimmen. Vielleicht hatten die Menschen sich im Lauf der Jahrtausende ja geändert. Möglich war das doch, oder etwa nicht? Hatte nicht jeder eine zweite Chance verdient? Nach tagelangem Diskutieren der Märchenwesen waren sie sich einig, es zumindest für eine Weile mit den Menschen zu versuchen, ihnen einen Platz einzuräumen und für ihre Augen weiterhin unsichtbar zu bleiben.
Eine der Ersten, die ins Dorf zog, trug ein riesiges Plakat vor sich her, auf dem stand: „Hier. Sofort. Frieden. Überall.“ Claudia war überzeugt, dass das möglich war und wollte es im Dorf beweisen, um sodann mit ihrer Mission die ganze Welt mit Frieden zu infizieren. Ein friedlicher Virus sozusagen. Die Märchenwesen waren neugierig, ob Claudia sich in der Zukunft nur als eine weitere Träumerin unter vielen herausstellen sollte, oder ob es den Menschen tatsächlich gelungen war, klüger zu werden. Es machte zumindest den Anschein, denn viele im Dorf hatten ähnliche Ziele wie Claudia.
Jasmin wünschte sich, dass im Dorf jeder die anderen unterstützt, ganz ohne Neid. Jutta wollte, dass die Dorfgemeinschaft sich respektiert und annimmt, so wie sie sind. Anne skandierte frei nach den drei Musketieren: „Einer für alle. Alle für einen.“ Und Astrid fragte sich: „Wer bin ich hier, wer will ich sein und was ist mein Begehr?“ Fast ein ganzes Jahr lebten die Menschenwesen nun schon in ihrem Dorf zusammen. Natürlich nicht pausenlos, denn Brot wächst nicht von Bäumen und alle mussten auch Geld für ihren Lebensunterhalt erzielen. Dazu hüpften sie von Zeit zu Zeit wieder nach LinkedIn, um dort ihre Brötchen zu verdienen. Nur war das auf Dauer entsetzlich anstrengend und das Dorf war für sie alle eine Art Rückzug geworden. Ein Ort, an dem sie wieder zu Atem kamen und an dem sie das leben konnten, was ihnen in der lauten Welt außerhalb des Dorfes nicht möglich schien. Aber auch eine Vision für ein möglicherweise zukünftiges Leben. Für immer im Dorf bleiben, sich von eigener Hände Arbeit ernähren können, unabhängig von Verlockungen bescheiden leben, auf Komfort verzichten und dafür Frieden finden. Einen Versuch war das doch wert, oder?
Die Menschenwesen bauten einfache Hütten, in denen sie des Nachts und bei Regen Schutz fanden. Sie standen mit dem Tageslicht auf und gingen mit der Abenddämmerung zu Bett. Sie bearbeiteten die Erde und säten Getreide, Gemüse und Obst. Sie lernten, Feuer zu machen ohne Hilfsmittel. Stellten aus Materialien der Natur unbeholfene, aber brauchbare Werkzeuge her. Bauten einfache Möbel. Jeder Bewohner des Dorfes hatte eine ganz eigene Fähigkeit, die ihn besonders und einzigartig machte. Tina baute mit Kindern zusammen einen Spielplatz, auf dem sich aufregende Abenteuer erleben ließen. Stephan legte mit freiwilligen Helfern mitten im Dorf einen Garten an, in dem eine riesige Ulme mit Tischen und Stühlen darunter stand, an dem sich alle nach einem erfüllten Tag auf einen Feierabend-Schwatz trafen. Susanne mochte besonders das reinste und edelste Wasser der Quelle im wunderschönen Garten, dessen gurgelnde Laute die Herzen aller, die sie vernahmen, höherschlagen ließ. Angela richtete überall im Dorf kleine Sitzecken ein, hier lagen Kinderbücher und Mandalas samt Stiften, hier traf man sich zum Schweigen und konnte so viele Antworten finden. Jean Michel trommelte täglich wie das berühmte Murmeltier alle auf dem Dorfplatz zusammen, damit man dort diskutieren und netzwerken konnte. Kurzum – das Dorf wurde von Tag zu Tag schöner und alle fühlten sich sehr wohl in ihm.
Kurz vor der Feier zum einjährigen Bestehen des Dorfes hatten die Bewohner zu ihrem Schutz noch Mauern rund um ihr Dorf errichtet. Das allerdings erzürnte die Märchenwesen.
„Es geht schon wieder los“, beschwerte sich ein Wolf. „Sie kapseln sich ab. Wollen kontrollieren, wer rein und wer raus darf. So fängt es immer an.“ Und der scharfzüngige Wolf baute Spiegel in die Dorfmauern, um den Bewohnern den Blick auf ihr eigenes Treiben zu ermöglichen. „Pfft“, zischelte der Kobold Kirstin zum Wolf, „du glaubst doch selbst nicht, dass die Menschen sich im Spiegel selbst betrachten. Die haben viel zu viel damit zu tun, andere zu beobachten und denen einen Spiegel vor die Nase zu halten. Sich selbst anzuschauen hält doch keiner von denen aus.“ „Werden wir sehen“, sprach der Wolf und fügte verärgert hinzu: „Wenn du mal aufhören würdest, dauernd alle zu foppen und zu necken, könntest du ja auch mal was Vernünftiges beitragen.“ Kobold Kirstin zuckte gleichmütig die Schultern und sagte: „Hab ich schon, da kannste mal sehen! Diesen Siegfried zum Beispiel, der allen mit seinem „hast du noch Kapazitäten frei“ Gerede auf die Nerven gegangen ist und ständig nur kaufen und verkaufen wollte, dem habe ich vorgegaukelt, dass die Lösung ganz einfach ist. Er ist alles in einer Person, da geht der Bedarf schließlich nie zu Ende. Seither kauft er von sich selbst dauernd Sachen, die er sich anschließend selbst wieder verkauft, ist immerzu beschäftigt und hat keine Zeit mehr, anderen auf die Nerven zu gehen. Seither herrscht Frieden.“ „Du bist wirklich unmöglich“, schimpfte der Wolf Kirstin aus. „Kein Wunder, dass Menschen sich vor Kobolden fürchten, die machen wirklich aus jedem einen Trottel. Jetzt lass wenigstens die Menschen hier in Ruhe!“
Derweil liefen im Dorf die Vorbereitungen für das Fest auf Hochtouren. Es wurde gebacken und gekocht, Getränke in großen Fässern bereitgerollt, Blumenschmuck überall angebracht und die schönste Kleidung frisch gewaschen. Als der große Tag endlich da war und alle sich im Garten auf dem Dorfplatz versammelt hatten, ergriff Frank das Wort:
„Liebe Dorfbewohnerinnen und liebe Dorfbewohner. Es ist mir eine Ehre, euch alle heute zu diesem unserem Fest begrüßen zu dürfen. Wir haben gemeinsam viel in diesem Jahr geschafft und das Dorf zu einem Ort gemacht, an dem wir uns gern aufhalten. Bislang kannten wir uns nur aus LinkedIn, hier durften wir uns persönlich neu kennenlernen. Wir alle haben uns am Anfang darüber gefreut und uns deswegen untereinander unsere Geschichten erzählt, unsere Träume offenbart und von unseren Erfahrungen berichtet. Wir haben voneinander gelernt und alle wollten wir, dass unsere kleine Welt hier im Dorf sich weiter ausdehnt, am besten auf die ganze Welt, denn sagt selbst – ist es nicht so viel schöner miteinander zu leben? In einer Welt, in der – wie Anna Felizitas sagte – viele verschiedene Persönlichkeiten aus allen Nationen friedlich nebeneinander leben? In der auch Tiere geachtet werden und dank unserer Nima ein liebes- und respektvolles Miteinander von Mensch und Tier gelebt wird? In der auch durch das wunderbare Vorbild von Gesine alle hier lebenden Menschen der Haltung „alle für alle“ folgen, konstruktiv mit Unterschiedlichkeiten umgehen und schwierige Situationen durch Freundlichkeit und Humor entwaffnen? Sagt selbst, ist das nicht schön?!“
Frank hatte sich in Fahrt geredet und gar nicht bemerkt, dass sich vereinzelt Unruhe bemerkbar machte. Da wurde sich am Kopf gekratzt, die Stirn gerunzelt und hin und wieder ein sarkastisches Lächeln hinter der Hand schnell verborgen. Die alte Weise Iris dachte bei sich, das könne doch alles nur eine Halunkination sein, aber um des lieben Frieden willens behielt sie ihre Gedanken für sich. Nicht so Daniel. Es war ihm unmöglich, länger zu schweigen und so sprang er auf und rief: „Ah ja, also alles Friede, Freude, Eierkuchen, ja? Leute! Das war vielleicht am Anfang einmal so. Aber mittlerweile gibt es auch hier im Dorf die Marktgeier und die Marktschreier, die Dirndl ohne Dirndl, nackte Content-Kaiser und die den eigenen Speichel leckenden Claquere.“ Erschöpft von seinem eigenen Ausbruch ließ er sich auf seine vier Buchstaben plumpsen und nahm erstmal einen großen Schluck Apfelmost. Die anderen starrten ihn verständnislos an. Hier bei ihnen im Dorf sollte das auch schon so sein wie draußen, gar so wie in LinkedIn? Nie im Leben, das hätte man doch gemerkt. Daniel musste bestimmt zu tief in das Apfelmost Fass geguckt haben.
Der Zauberer schüttelte beinahe mitleidig sein bärtiges Haupt. Er hatte Daniel beobachtet, der abends gern einen Spaziergang ums Dorf machte und dabei in die Spiegel schaute. Dabei sah er nicht nur sein eigenes Tun, sondern auch das der anderen Dorfbewohner. Denn nur der, der sich selbst erkennt, kann auch andere erkennen und sehen. Nur war Daniel mit dieser Fähigkeit allein im Dorf, kein Wunder also, dass niemand ihm glaubte.
„Also“, meldete sich Heidi schüchtern zu Wort, „mir ist es eine Freude, in diesem wunderschönen Dorf zu leben und mir gefällt es sehr gut, so viele neue Freunde und Freundinnen gefunden zu haben.“ Auch Mim, die anfangs ebenfalls sehr schüchtern und zurückhaltend war, von den anderen aber schnell bei der Hand genommen wurde, traute sich ein zaghaftes „stimmt, liebe Heidi, geht mir genauso“ in die Runde zu werfen. Und Tamara versuchte, es mit einem Lächeln zu probieren, um die plötzlich gekippte Stimmung noch zu retten. Aber nun erwachten auch kleine Roboter zum Leben, die von einigen Dorfbewohnern – Bettina war zum Beispiel eine von ihnen – gehalten wurden und sie vertraten, wenn etwas sie sprachlos machte.
„Ihr habt wohl nicht gesehen“, knarrte der Roboter, der Simone vertrat, „dass am Horizont das Schloss der bösen Königin Algorithma aus dem Nebel hervorlugt.“ „Ja genau“, meldete sich der Roboter von Martina zu Wort, „ihr Sohn, Prinz Algo wurde unter einem szintillierenden Stern geboren und hat deswegen einen sehr wankelmütigen Charakter.“ Bitte? Die Dorfbewohner verstanden nur Bahnhof. Welche Bedeutung sollte das denn für sie haben? Sie hatten weder die Königin noch ihren Sohn jemals zu Gesicht bekommen.
Die Märchenwesen hingegen verstanden die kleinen Roboter nur zu gut. Sie kannten sowohl Algorithma als auch ihren Sohn Algo und hielten sich nach Möglichkeit fern von ihnen. Zu manipulativ, die beiden. Da waren sie, die Märchenwesen, eindeutig ehrlicher. Zwar waren auch von ihnen nicht alle durchweg gut, aber wenn sie böse waren, dann so richtig. Kobold Kerstin hatte ihren Schabernack selbst hier bei Siegfried schon unter Beweis gestellt. Der scharfzüngige Wolf hatte immerhin die Spiegel der Erkenntnis eingebaut. Dass keiner außer Daniel sie zu nutzen verstand, war schließlich nicht sein Problem. Wenn Zwerge Kriege anzetteln, Drachen alles in Feuer aufgehen lassen oder Zauberer einen Mann zur Maus machen, ist das alles absolut ehrlich und unübersehbar. Keine Frage, Märchenwesen sind gut, auch die bösen. Warum gäbe es sie sonst, hat sich das mal ein Mensch gefragt? Wenn alles nur gut wäre, gäbe es keinen Grund, etwas besser machen zu wollen. Alle wären nur zufrieden, immerzu satt und entsetzlich träge. Erst durch das Böse wachen wir auf. Wollen etwas dagegen tun. Werden aktiv. Entwickeln uns weiter. Erkennen überhaupt den Unterschied! Es ist doch geradezu banal. Ohne Licht kein Schatten. Ohne Tag keine Nacht. Ohne Kälte keine Wärme. Das ganze Leben ist voller Gegensätze, warum sollte das ausgerechnet bei Gut und Böse anders sein? Märchenwesen wissen das und halten sich gegenseitig in Schach. Meistens gewinnen die Guten, kann in allen Märchen nachgelesen werden. Warum können Menschen es nicht ebenso halten?
„Warum gehen wir nicht einfach zur magischen Quelle“, rief Eva plötzlich laut in die Runde. „Dort können wir doch jedes Problem hineinwerfen und es soll ja immer eine Lösung herauskommen, die allen ein Lächeln auf die Lippen zaubert. Probieren wir es doch aus!“ Das war ja mal eine gute Idee. Alle rappelten sich erleichtert auf und marschierten gemeinsam zur Quelle. Aber was war jetzt nochmal genau das Problem? Verwirrt stand die Bevölkerung vor der Quelle. Einige waren zufrieden, andere nicht. Einige fühlten sich bedroht, andere nicht. Einige sahen Unfrieden im Dorf, andere nicht. Einige fühlten sich von Wesen mit unaussprechlichen Namen verfolgt, andere nicht. Was fragt man da die Quelle? Alle schnauften tief durch und brüteten eine Weile vor sich hin. „Machen wir es möglichst einfach. Fragen wir einfach, wie wir unsere Probleme – von denen manche sie haben und manche nicht, oder vielleicht nur ein bisschen, wenn man mal länger drüber nachdenkt, wobei, naja, ist ja auch egal – fragen wir einfach, wie wir sie lösen können. Ok?“ Verwirrt nickten die Dorfbewohner, ihnen fiel auch nichts Besseres ein und diese Frage war eh schon eine schwierige Geburt gewesen.
Sie warfen ihre konfuse Frage in die Quelle. Es blubberte eine Weile vor sich hin, dann stieg Dampf auf und in ihrem Nebel waren die Worte „Die Liebe ist es, die den Unterschied macht“ zu lesen. Romy nickte begeistert vor sich hin. Liebe ist immer gut, fand sie auch. Neuer Dampf stieg auf. „Der Sinn des Lebens besteht darin, es zu leben, bevor es verschwunden ist.“ Barbara flüsterte die sich bildenden Worte ehrfürchtig vor sich hin. Kam da noch was? Gebannt starrten die Dorfbewohner in die Quelle, aber diese blubberte nur noch schwach vor sich hin und beruhigte sich dann. Keine weiteren Antworten. Nun ja, das war jetzt wenig hilfreich, oder war es nur zu einfach, um es in seiner Tiefe zu verstehen? Einträchtig in ihrer Verwirrung standen die Dorfbewohner um die Quelle und scharrten verlegen mit ihren Füßen. Wie sollte es jetzt weitergehen? Mit dem Fest und überhaupt? „Welche Gemeinsamkeiten wollen wir denn feiern, wenn LinkedIn doch ein Potpourri an krass unterschiedlichen Gedanken und Inszenierungen bildet und sich das zum Teil – wenn Daniel recht hat – auch hier abbildet?“, fragte Maja. „Natürlich habe ich recht!“, begehrte Daniel auf. „Nicht schon wieder streiten“, besänftigte Hanna, „ehrliche Menschen haben es manchmal sehr, sehr schwer, gegen das anzukommen, was unehrliche Menschen zuvor angerichtet haben.“
Sie beratschlagten sich und kamen zu der gemeinsamen Entscheidung, alles aufzuschreiben, was ihnen wichtig war. Damit sie es jederzeit nachlesen konnten und auch, um es neuen Dorfbewohnern zu zeigen. In der Hoffnung, dass sich das Leben im Dorf doch sehr deutlich vom Leben in LinkedIn unterscheiden würde, jetzt und in Zukunft. Denn eine Verschnaufpause brauchten sie allemal und das Dorf war der ideale Ort dafür, das wollten sie sich keineswegs selbst kaputtmachen. Christopher errichtete im gemeinsamen Garten eine Tafel mit der Inschrift: „Der einzige Mist, auf dem nichts wächst, ist der Pessimist.“ Hier sollte fortan jeder, der unnötig Pessimismus verbreitete, zur Strafe zwei Stunden ohne Sonnenschutz in der prallen Mittagshitze stehen müssen. Kerstin kannte eine weiße Magierin, die heilige LinkedInna, die sie ins Dorf entlud und die fortan auf dem Dorfplatz mit ihrem knöchernen Zauberstab Lächeln in mürrische Gesichter zauberte. Alix richtete einen Raum ein für leise Töne und für lautes Lachen, für Schweiger und Redner, für wahren und gewähren. Und immer, wenn sie tatsächlich den Aufwand betrieben, in sich selbst und den anderen das innere Kind wiederzufinden, entstand eine besonders heitere Art der Begegnung mit Birgitta. Anne sorgte dafür, dass der gemeinsame Garten ein Raum jenseits von richtig und falsch wurde, in dem wahre Begegnung stattfinden konnte. Sie bestimmten gemeinsam, dass jeder Dorfbewohner einen Satz für ihr gemeinsames Leitbild beisteuern darf. Hartmut regte an, die Schlussredaktion völlig in die Hände ihrer Meisterin zu legen. Diese solle deshalb alle Freihalten erhalten, um die Sätze zu ergänzen, abzuwandeln, zu erweitern und beliebig viele eigene Sätze beisteuern, um das Leitbild rund zu machen und der Erinnerung an das Jubiläum würdig. Susanne schrieb alles auf und wenn sie nicht gestorben – oder blockiert – sind, dann schreiben sie auch morgen fleißig weiter.
Denn so ist das im Leben. Nichts ist je fertig. Auch ein Leitbild nicht. Mit jedem neuen Tag und mit jedem neuen Menschen ändern sich Bedürfnisse und Anforderungen. Alles ist nur in dem Moment wahr, in dem der Moment existiert – und Momente sind sehr flüchtig. Das macht es so schwierig und gleichzeitig so spannend. Zu wissen, wann es lohnt, an etwas festzuhalten und zu erkennen, wann es Zeit zum Loslassen wird. Zu begreifen, dass auch das Böse Teil des Lebens ist und es zu lernen gilt, damit umzugehen. Dr. Meike würde sagen, dass es wieder eins dieser Dinge zwischen Himmel und Erde sei, die Menschen nicht verstehen können. Aber vielleicht irrt sie sich. Menschen lernen dazu. Vielleicht nicht so schnell, wie es für viele gehen soll, aber wer sagt denn, dass wir allein es schaffen müssen? Vor uns gab es andere und nach uns wird es wieder andere geben. Vielleicht ist es nur unsere Aufgabe, den Boden für die, die nach uns kommen, so vorzubereiten, dass eine gute Saat Früchte tragen kann. Auch wenn wir selbst die Früchte nicht mehr ernten können. Es sei denn, wir sind bis dahin noch nicht gestorben und leben auch heute noch.
Die Märchenwesen staunten. Nachdem es erst so aussah, als würde das Fest in einem handfesten Streit enden, hatten sich die Menschenwesen doch tatsächlich zusammengerauft und etwas Gemeinsames geschaffen. Ein Leitbild zur Orientierung. Gut, sowas hatten die Märchenwesen natürlich nicht nötig. Sie sind schon immer gut mit Widrigkeiten zurechtgekommen, haben das Gute über das Böse siegen lassen. Würden die Menschen mehr Märchen lesen und ihnen Glauben schenken, hätten sie so ein Leitbild erst gar nicht nötig gehabt. Aber … je nun, Menschen brauchen offensichtlich immer alles schriftlich. Vielleicht sind sie einfach zu vergesslich. Hey du! Ach, wie gut, dass niemand weiß, dass dies „unser LinkedIn Märchen“ heißt …
Gran-di-os, und die ganze Zeit wartete ich wie gebannt auf “meinen” Satz.
Was mir aus dem Herzen sprach: „ehrliche Menschen haben es manchmal sehr, sehr schwer, gegen das anzukommen, was unehrliche Menschen zuvor angerichtet haben.“
Liebe Martina,
vielen lieben Dank! Ihr habt mich echt herausgefordert und gleichzeitig bin ich sehr glücklich, mit euch gemeinsam dieses schöne Werk erstellt zu haben. Nach den ersten weißen Haaren vor dem Anfang hat es mir jede Menge Spaß gemacht 😉
Ich habe mich sehr gefreut, als ich meinen Satz gelesen habe….wie die drei Musketiere…alle für einen, einer für alle…
Nur so kann die Liebe die Welt erobern und die Menschheit retten….
Das war ein wirklich schöner Satz, den du da beigesteuert hast, liebe Anne. Auch hier dafür nochmal meinen herzlichen Dank 💚
Mein kleiner Roboter und ich 😉 das ist so eine schöne Geschichte, die Du aus unseren Ideen gezaubert hast – ganz toll, liebe Sabine. Das Lesen hat so viel Spaß gemacht. Dankeschön für dieses wunderschöne Weihnachtsgeschenk.
Dankeschön, liebe Bettina. Ich fand deine Idee mit den kleinen Robotern, die immer dann zu Wort kommen, wenn einem selbst diese fehlen, ganz und gar entzückend!