Bücher, die mich begeistert haben. Mein Buchtipp 18 – Alte weiße Männer von Sophie Passmann
Ich mag diesen Ausdruck überhaupt nicht. Alte weiße Männer. Was ist das denn bitte schön für ein Feindbild, das hier aufgebaut wird? Eine weitere Schublade, die geöffnet wird? Funktioniert so Veränderung, oder wird so nicht eher Verhärtung erreicht? Ich wollte es wissen und habe mich aus einem ganz einfachen Grund für dieses Buch entschieden: Die Autorin schreibt eben nicht über (!) alte weiße Männer; sie fragt (!) unterschiedliche Männer, was diese unter dem Ausdruck verstehen, und ob sie sich selbst als solchen sehen oder befürchten, eines Tages einer zu werden. Die Antworten waren so klug, so simpel, so inspirierend, dass die Lektüre mein Buchtipp 18 wurde: Alte weiße Männer von Sophie Passmann.
Asche auf mein Haupt: Selbst Frau, habe ich mit dem Thema Feminismus eher wenig am Hut. Natürlich sehe auch ich Ungerechtigkeiten und finde es auch gut, dass es Menschen gibt, die sich dafür einsetzen. Eine Veränderung bewirken wollen. Verkrustete Strukturen aufbrechen wollen. Ich unterstütze das im Stillen durchaus, habe hingegen nicht die geringste Motivation, damit laut auf die Straße zu gehen. Vielleicht ist mein Problem, dass ich zu viele Ungerechtigkeiten sehe. Bei Frauen. Bei Männern. Bei “Außenseitern”. In der Politik. In der Gesellschaft. Im privaten Umfeld. Weil ich unmöglich für alle einstehen und sprechen kann, konzentriere ich mich darauf, selbst so gerecht wie möglich zu sein.
In dem Zusammenhang stellte ich fest, dass diese Diskussionen über alte weiße Männer mich unangenehm berührten. Ich fand sie anmaßend, zu allgemein, böse und insgesamt wenig hilfreich. Zumal ich gar nicht verstand, wer ein alter weißer Mann überhaupt sein soll und wie ich ihn erkennen kann. In meinem direkten Umfeld gibt es nämlich keinen. Wer sind also diese Bösewichte und wer “verdient” diese Bezeichnung überhaupt? Zucken wir selbst nicht auch zurück und gehen in eine Abwehrhaltung, wenn uns jemand mit einem Begriff belegt, mit dem wir im gefühlten Inneren so gar nichts zu tun haben? Oder gibt es tatsächlich Männer, die mit stolz geschwellter Brust von sich behaupten: “Jawohl, ich bin ein alter weißer Mann!”
In ihrem Buch stellt die Autorin Männern, die wir alle aus der Öffentlichkeit kennen, genau diese Frage. Das fand ich höchst sympathisch. Sie fragte nicht Männer, von denen sie der Meinung war “oha, du gehörst für mich definitiv dazu”. Sie fragte Männer, um ehrliche Antworten zu bekommen. Denn auch “Sophie Passmann ist Feministin und so gar nicht einverstanden mit der Plattitüde, der alte weiße Mann sei an allem schuld.” Und so besuchte ich mental mit ihr bekannte Persönlichkeiten und lauschte ihren Worten. Nickte nachdenklich wie Sophie bei einigen Antworten, und krauste verwirrt wie sie die Stirn bei anderen. Ohne allzu viel zu verraten: Der Untertitel – “Ein Schlichtungsversuch” – wird dem Buch mehr als gerecht. Es ist kein Frauenbuch, es ist ein Buch für alle Menschen.
Sophie Passmann ist eine deutsche Autorin, Hörbuchsprecherin, Schauspielerin und Radiomoderatorin. “Alte weiße Männer” ist ihr zweites Buch und wurde in den überregionalen Medien überwiegend kritisch besprochen. Vielleicht, weil sie eben keine typische Feministin ist? Wer weiß …
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