Bücher, die mich begeistert haben. Mein Buchtipp 10 – Eine Frage der Chemie
Was genau mich dazu bewegt hat, dieses Buch zu kaufen, kann ich gar nicht sagen. Der Titel war es jedenfalls nicht. “Eine Frage der Chemie” von Bonnie Garmus, eine bis dato unbekannte Autorin. Chemie weckt eher ungute Erinnerungen bei mir. Feminismus ist zwar gut und wichtig, dennoch nicht unbedingt eins meiner Lieblingsthemen. Die 50er Jahre? Schon eher, allerdings habe ich eh schon viel aus dieser Zeit gelesen. Was also war es, dass mich geradezu magisch anzog? Die Frau auf dem Cover? Wahrscheinlich, sie strahlt für mich so viel Selbstsicherheit aus. Was es letzten Endes auch war, eins ist klar:
Dieses Buch zu lesen war die beste Entscheidung – was wäre mir sonst entgangen!
Ich hätte Elizabeth Zott nicht kennengelernt. Und Elizabeth Zott nicht zu kennen ist ein Versäumnis, das ich mir nicht mehr vorstellen kann. Tatsächlich habe ich zwischendurch nachgeschlagen, ob ich hier eine Biografie lese, denn Elizabeth ist so echt, so lebendig, so mitreißend, so skurril, so schlau, so schlagfertig. Kurzum – Elizabeth Zott ist ein Unikat. Ich hätte sie gern persönlich gekannt, nur gibt und gab es sie nie. Schade eigentlich. Uneigentlich auch.
Kurz zum Inhalt von meinem Buchtipp 10 – Eine Frage der Chemie
Elizabeth Zott ist Wissenschaftlerin, Fachgebiet Chemie. Wir schreiben das Jahr 1952. Eine Zeit, in der Frauen mit dem Namen ihres Mannes angesprochen werden (Mrs. John Smith) und vorwiegend als Anhängsel ihres Mannes betrachtet werden. Die durchschnittliche Frau hält in diesen Zeiten das eigene Heim ordentlich, bekommt und versorgt die Kinder und ist für das Kochen zuständig. Eine eigene Arbeit ausüben? Höchstens als Übergangszeit, bis der passende Mann gefunden wurde. Alleinstehende Frauen wurden misstrauisch beäugt, arbeitende Frauen mit noch mehr Skepsis. Wenn überhaupt, traute man ihnen wegen ihrer angeblich begrenzten Geisteskraft allenfalls einfache Tipp-Arbeiten zu.
Kein Wunder also, dass Elizabeth Zott es alles andere als leicht hat. Was sie allerdings alles erlebt und wie sie damit umgeht, hat mir zum Teil die Sprache verschlagen. Vor Respekt. Vor Bewunderung. Ich war fassungslos und bestürzt und zutiefst beeindruckt. Denn Elizabeth ist zäh. Sie diskutiert, dass einem der Kopf schwirrt. Sie ist komplett unsentimental und benutzt ausschließlich rationale Argumente. Natürlich, sie ist schließlich Wissenschaftlerin. Wenn sie verliert, steht sie auf und macht auf ihre Art weiter. Sie lässt sich einfach nicht unterkriegen. Als sie gezwungen ist, einen Job zu machen, den sie zutiefst verabscheut – Fernsehmoderatorin für eine Kochsendung – macht sie auch hier das Beste aus der Situation. Denn keine weiß so gut wie Elizabeth Zott, dass Kochen eine Wissenschaft ist. Chemie, um genau zu sein. Es geht um Moleküle und Temperaturen, Dichten und Verbindungen, Veränderung der Zustände. Kochen ist eine sehr ernsthafte Angelegenheit mit einem unschätzbaren Wert. Sorgt eine gute Mahlzeit doch für das leibliche und seelische Wohl der Familie. Unnötig, zu erwähnen, dass diese Kochsendung ganz und gar nicht dem entsprach, was der Produzent sich eigentlich vorgestellt hatte – sexy, bisschen kochen, Martini zum Schluss strahlend in die Kamera halten. Unnötig auch zu erwähnen, dass Elizabeth Zott zum Star des Senders wurde – Kochen mit viel Wissen rund um Chemie, kleine Lebensweisheiten, ehrliche Statements, knallharte Fakten, scharfe Kritik. “Essen um 6” verändert die Frauen, die die Sendung schauen. Macht sie mutiger und selbstbewusster. Für Elizabeth Normalität, für andere Frauen eine völlig neue Entdeckung. Und so bleibt Elizabeth Zott trotz ihres Erfolges tief im Herzen unglücklich. Weil sie nicht das tun kann, was sie viel lieber tun würde: Eine Wissenschaftlerin in einem wissenschaftlichen Institut sein, die für ihre wissenschaftliche Forschung und deren Ergebnisse anerkannt wird. Das, was auch Männern zusteht. Ohne dass diese sich darum überhaupt bemühen müssten. Ob es ihr dennoch gelang? Lest selbst.
Bonnie Garmus war als Kreativdirektorin international vor allem in den Bereichen Medizin, Erziehung und Technologie tätig. “Eine Frage der Chemie” ist ihr erster Roman. Mögen weitere folgen. Ich bleibe am Ball.
Bildnachweis Lizenz erteilt durch Piper Verlag