Großzügig zu sein macht Spaß
Ein Buch im Zug liegenlassen für den nächsten zufälligen Leser. Einen Euro auf den Bürgersteig werfen und liegenlassen für den nächsten, der ihn findet. Eine kleine Süßigkeit in einen x-beliebigen Briefkasten werfen.
All das kostet wenig und bringt viel. Freude, Spannung und das erfüllende Gefühl, etwas Gutes getan zu haben. Ohne eine Gegenleistung erwarten zu können. Ja – gerade deswegen! Großzügigkeit ist nichts für Kleingeister.
Kennen wir die Person oder ist sie gar unser Freund, ist es mit der Großzügigkeit leider nicht ganz so einfach. Denn hier muss offenbar eine Balance gehalten werden. Geben und Nehmen müssen sich die Waage halten. Und das gilt paradoxerweise besonders für den Nehmenden.
Immer zu bekommen und nie etwas zurück geben zu können, stürzt den Nehmenden in eine Schuld. Auch wenn der Gebende nie Anlass gegeben hat, sich schuldig zu fühlen. Es ist trotzdem so. Und manchmal führt dies zum Bruch der Freundschaft, ausgerechnet vom Nehmenden ausgehend.
Reagiert nun der Gebende mit Unverständnis, Zorn oder Enttäuschung, war er vielleicht weniger großzügig als vielmehr berechnend. Eine Hand wäscht die andere – ein tiefverwurzelter Glaubenssatz, der mit Großzügigkeit allerdings nichts zu tun hat.
Diese Erfahrung habe ich auf bittere Weise machen dürfen. Meiner Freundin ging es nicht gut. Ich tat alles, um sie zu unterstützen. Ließ sie zeitweise bei uns wohnen, telefonierte mitten in der Nacht mit ihr, munterte sie mit täglichen Nachrichten auf. Sie war nicht in der Lage, mir etwas zurückzugeben und ich habe das auch nie verlangt. Bloß übersehen, dass sie sich “schuldig” fühlte und ein “das kann ich nie wieder gutmachen” spürte. Als sie dann die Freundschaft von jetzt auf gleich löste, war ich zutiefst verletzt. Womit hatte ich das verdient?
Der springende Punkt ist jedoch, dass ich offensichtlich doch etwas zurück haben wollte. Ihre immerwährende Freundschaft, ihre ewige Treue und ja, auch ihre Dankbarkeit. Ich war ein Kleingeist. Meine Großzügigkeit war nicht frei von Erwartungen. Das ist aber keine echte Großzügigkeit, sondern ein Geschäft. Mit Freundschaft hat das nichts zu tun. Das erkenne ich heute.
Wahre Großzügigkeit erfordert Großmut und ist darum nichts für Kleingeister.
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