Technik soll unser aller Leben erleichtern; das war und ist Ziel jeder neuen Technologie. Folgerichtig müsste jede neue Technologie Begeisterung auslösen. Tut sie aber nicht. Wenn neue Technologien Angst machen, lohnt sich ein Blick zurück.
Ich gebe offen zu, dass ich bei neuen Technologien bislang instinktiv mit Abwehr reagiert habe. Brauche ich nicht. Bin ich zu alt dafür. Bin jahrelang auch ohne ausgekommen. Schnickschnack. Mittlerweile denke ich anders. “Schuld” war eine freundliche Antwort unter einem Social Media Beitrag, die mich daran erinnerte, dass Menschen bei Erfindung der Eisenbahn seinerzeit ganz reale Ängste hatten, diese neue Technik würde ihre Lungen platzen lassen und/oder zu einem Delirium führen. Der menschliche Körper sei einfach nicht darauf angelegt, derartige Geschwindigkeiten ohne Schaden zu überstehen. Ernsthaft. So ist es, wenn neue Technologien Angst machen.
“Als die Lok „Adler“ 1835 erstmals zwischen Nürnberg und Fürth verkehren sollte – mit 30km/h –, soll ein Gutachter des Bayrischen Medizinalkollegiums gemeint haben, dass die Geschwindigkeit „bei den Passagieren die geistige Unruhe, ,Delirium furiosum‘ genannt“, hervorrufe. Natürlich könne sich jedermann freiwillig dieser Gefahr aussetzen – aber die Zuschauer müssten geschützt werden, und zwar durch eine sechs Fuß (zwei Meter) hohe Schranke auf beiden Seiten der Bahn.”
Die Presse
Diese Tatsache ließ mich tief nachdenken. Gab oder gibt es überhaupt eine Technologie, die sich im Nachhinein als ganz eindeutig schlecht erwiesen hat? Setzten sich im Nachhinein nicht immer die Vorteile durch, derweil Nachteile (oder Kinderkrankheiten in der Entwicklung) weitestgehend abgeschafft oder zumindest in Schach gehalten wurden? Ist es also wirklich klug, neuen Technologien grundsätzlich ablehnend gegenüberzustehen? Ist Angst der wahre Grund? Was also tun, wenn neue Technologien Angst machen?
So sehr ich auch grübelte, mir fiel beim besten Willen keine einzige Technologie ein, die besser nicht entwickelt worden wäre. Wenn du eine kennst, lass es mich gern wissen. Mir selbst ist nur diese Erkenntnis gekommen. Womöglich will ich es aber auch nur glauben …
- Wissen und Technik bergen auch immer Gefahren, werden aber dank menschlicher Intelligenz in Schach gehalten.
Nehmen wir ein aktuelles Beispiel: Künstliche Intelligenz. Allen voran die Textverarbeitungstools, die derzeit in aller Munde sind. Künstliche Intelligenz wird mit ein paar Daten gefüttert und spukt beeindruckende Ergebnisse in Form von Text aus. Schreibblockaden, Kreativitätslöcher und Zeitnot gehören der Vergangenheit an. Heute kann jede und jeder zu jedem Thema im Nullkommanichts passable Texte veröffentlichen. In Social Media Beiträgen, Blogs, Webseiten, Print Magazinen. Eine ganze Branche wird überflüssig. Ich gehöre dazu. Wirklich?
- Statt mich wie die Menschen bei Erfindung der Eisenbahn zu verhalten, habe ich ein bisschen nachgedacht und bin zu folgender Erkenntnis gelangt:
Die neue Technologie der KI erzeugten Texte werden in der Tat einige meiner Kolleginnen und Kollegen überflüssig machen. Die, die sich für 3 Cent/Wort auf verschiedenen Texter Börsen tummeln beispielsweise. Bitte richtig verstehen: Es geht mir nicht darum, diese Menschen zu verurteilen. Ich weiß schließlich nicht, welche Not sie zwingt, sich für derartig wenig Lohn zu verdingen. Ich weiß aber, dass qualitativ und billig selten ein paar passende Schuhe ergeben. Irgendwo zwickts immer, und manchmal entstehen sogar blutige Blasen. Mit meinen eigenen Füßen bin ich pingelig; die laufen am liebsten frei oder in bequemen Schuhen. Ich kann zwar billig, dann leidet jedoch die Qualität. Das erzeugt bei mir ein Gefühl blutiger Blasen. Nein, das möchte ich nicht. Stattdessen bevorzuge ich Qualität, die deswegen noch lange nicht teuer sein muss. In den Sneakers “Nike Air Force 1” – von Virgil Abloh für Louis Vuitton – bekäme ich zwar auch keine blutigen Blasen, du hingegen Schnappatmung. Nein, wir bleiben bodenständig, du und ich. Und das ganz ohne künstliche Unterstützung oder gar Intelligenz. Noch bin stolz auf meine menschliche und brauche auch keinen künstlichen kreativen Input. Warum ich die neue Technologie trotzdem mag? Obwohl ich sie nicht nutze? Ganz einfach:
- ChatGPT, Neuroflash, Jasper, und wie sie alle heißen, bewirken eins: Sie lenken das Bewusstsein der Öffentlichkeit auf die Notwendigkeit guter Texte. Das feiere ich!
Ich habe mir fest vorgenommen, neuen Technologien offen und neugierig gegenüberzustehen. Weil ich überzeugt bin, dass sie im Lauf der Zeit mehr Gutes als Schlechtes hervorbringen werden. Im Großen und Ganzen gesehen, nicht individuell. Und davon abgesehen, möchte ich im Alter auch nicht in einer Welt leben, in der ich mich nicht mehr heimisch fühle. Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit. Ich möchte bleiben und bin auch für dich da, wenn du mich brauchst. Oder wenn du mit deinem KI-Text unzufrieden bist.
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