Buchtipp 27 - Die Vergessenen. Coverbild des Buchs.

Buchtipp 27 – Die Vergessenen

Bücher, die mich begeistert haben. Mein Buchtipp 27 – Die Vergessenen

Immer wieder ziehen sie mich an: Bücher, die sich mit dem Zweiten Weltkrieg befassen. Gern mit historisch belegtem Hintergrund. Vielleicht, weil ich nie die danach gefragt habe, die Zeitzeugen waren. Wobei ich nicht weiß, ob es an kindlicher Unschuld, jugendlicher Überlegenheit oder unterschwelliger Angst lag. Tatsache ist, ich habe nie gefragt, und auch meine Familie hat sich in Schweigen gehüllt. Und so versuche ich im Nachhinein, mir ein Bild zu machen. Lese Bücher und beschließe: Genug. Ich kann nicht mehr. Bis mich das nächste leise, aber hartnäckig lockt. So wie dieses: mein Buchtipp 27 – Die Vergessenen von Ellen Sandberg.

Klappentext: Die Vergessenen. Die einen wollen vergessen. Die anderen können es nicht.

1944. Kathrin Mändler tritt eine Stelle als Krankenschwester an und meint, endlich ihren Platz im Leben gefunden zu haben. Als die junge Frau kurz darauf dem charismatischen Arzt Karl Landmann begegnet, fühlt sie sich unweigerlich zu ihm hingezogen. Zu spät merkt sie, dass Landmanns Arbeit das Leben vieler Menschen bedroht – auch ihr eigenes.
2013. In München lebt ein Mann für besondere Aufträge, Manolis Lefteris. Als er geheimnisvolle Akten aufspüren soll, die sich im Besitz einer alten Dame befinden, hält er das für reine Routine. Er ahnt nicht, dass er im Begriff ist, ein Verbrechen aufzudecken, das Generationen überdauert hat …

Ist Vergessen gut oder schlecht?

Das habe ich mich – nicht nur bei der Lektüre dieses Buches – schon öfter gefragt. Betrachten wir es unter dem Blickwinkel, dass nur nicht vergessen davor bewahren kann, dass Fehler wiederholt, Katastrophen in Endlosschleife fortbestehen und Wissen ohne Nutzung dessen ohne Wert ist, dann ist nicht vergessen ganz sicher gut. Es macht uns schlauer, unser Leben sicherer und uns als Gesellschaft im besten Fall menschlicher. Bleibt die Frage im Raum stehen, ob es das allerdings wirklich tut und nicht doch eher Theorie denn Praxis ist. Denn: Müssten wir ansonsten nicht schon viel weiter sein? Und wäre es dann nicht undenkbar, dass Vergangenes sich zu wiederholen scheint, obwohl kein Mensch mit Sinn und Verstand das wirklich wollen kann?

Schauen wir uns die andere Seite an – Vergessen als Lösung. Du glaubst nicht, dass das eine echte Lösung sein kann? Bist du dir sicher? Was ist, wenn nur Vergessen es dir ermöglicht, weiterzuleben? Was ist, wenn du Schuld auf dich geladen hast, die du zwar brav verarbeitet und transformiert hast, die aber dennoch nicht einfach wegradiert werden kann? Ist es da keine Erleichterung, nicht immer wieder daran erinnert zu werden? Wie oft sagen wir bei Streitereien in Beziehungen: “Komm, lass gut sein, wir vergessen das Ganze jetzt einfach.” Und wie oft sind wir genervt und auch enttäuscht, wenn “das Ganze” sich bei nächstbietender Gelegenheit doch wieder auf den Tisch gepackt wird?

Vergessen können ist eine Gnade. Nicht vergessen dürfen ist eine Pflicht.

Das ist mein bisheriges Fazit meiner Überlegungen. Wenn ich an manches denke, dass ich nur zu gern vergessen würde, bin ich dankbar, dass kein Mensch mich zwingt, immer wieder den Schorf einer Wunde wegzukratzen. Und masochistisch veranlagt bin ich zum Glück nicht. Ich habe gelernt, gnädig mit mir selbst zu sein. Bei anderem bin ich mir der Pflicht, nicht zu vergessen, sehr bewusst und stelle mich ihr. Lese mit Schrecken, dass im hier besprochenen Roman zwar die Personen fiktiv sind, nicht aber die Schilderungen der Orte, die im Roman nur einen neuen Namen bekommen haben.

“Falls einige Leser Ähnlichkeiten zwischen der fiktiven Heil- und Pflegeanstalt Winkelberg in diesem Roman und dem Isar-Amper-Klinikum München Ost, ehemals Heil- und Pflegeanstalt Eglfing-Haar, bemerkt haben, sind diese nicht zufällig, sondern beabsichtigt. Das Gleiche gilt für das fiktive griechische Dorf. Die Ähnlichkeiten zu den Ereignissen, die sich am 10. Juni 1944 in Distomo zugetragen haben, gleichen nicht zufällig den Ereignissen in Daflimissa. Was diese beiden realen Orte und die Ereignisse dort betrifft, habe ich mich in der Romanhandlung eng an den historischen Fakten orientiert.”

Ellen Sandberg

Ellen Sandberg ist das Pseudonym der deutschen Schriftstellerin Inge Löhning. Während Löhning mit der Krimireihe um den Münchner Kommissar Konstantin Dühnfort bekannt wurde, nutzt sie das Pseudonym, um sich ein zweites literarisches Standbein aufzubauen. “Zwei Standbeine, zwei Genres, zwei Verlage. Da bot sich der zweite Name beinahe von selbst an.”

Bildnachweis Lizenz erteilt von Penguin Verlag

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